Bauwesen

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Glas spielt in der heutigen Architektur eine wichtige, teils "tragende" Rolle.

© janvier - www.fotolia.com

Der Baustoff Glas ist als Gestaltungselement zeitgenössischer Architektur kaum mehr wegzudenken.
Im Alltag wird der Baustoff Glas meist als selbstverständlich angesehen.
Bemerkt bzw. vermisst wird Glas häufig erst dann, wenn es zu Bruch gegangen ist oder Risse in der Fensterscheibe die freie Sicht trüben, man durch in Scherben zerbrochene Scheiben den klimatischen Wetterbedingungen ausgesetzt ist oder das Bruchglas nicht mehr vor Eindringlingen schützt.

 

Funktionen, die heute von Glas übernommen werden:

  • Sicherheit (ESG / VSG), Einbruchschutz, Personenschutz
  • Wärmedämmung
  • Schallschutz
  • Sonnenschutz

So vielfältig die Funktionen von Glas sind, so groß sind auch die damit verbundenen Herausforderungen, die beim Einsatz von Glas bereits in der Planung berücksichtigt werden müssen.
Das 3-fach-Glas hat das 2-fach-Glas im Standard längst abgelöst. Die Scheibenzwischenräume wurden dadurch meist kleiner, was eine geringere „Bauchung“ der Scheibe zulässt. Die Wahl des optimalen Scheibenzwischenraumes ist besonders bei Sprossen zu beachten.

Die am häufigsten auftretenden Glasbrüche sind die sogenannten „thermischen Glasbrüche“ und die „mechanischen Glasbrüche“ bzw. eine Kombination aus beiden Varianten.

Der schwächste Punkt/Zone einer Glasscheibe ist in der Regel die Glaskante. Diese ist äußerst empfindlich und bedarf daher großer Sorgfalt, um mechanische Beschädigungen zu verhindern. Glas hat eine sehr hohe Druckfestigkeit, dafür aber um eine vielfach geringere Zugfestigkeit. Glas bricht immer dann, wenn die Zugfestigkeit durch Belastung überschritten wird. Je schlechter die Kantenbeschaffenheit der Glasscheibe, umso weniger belastbar ist das Glas. Schon bei der Glasbearbeitung (Schneiden, brechen) können Mikrodefekte entstehen. Transportbeschädigungen oder Handhabungsfehler beim Einbau (Anstoßen der Scheibe, Ausmuschelungen) müssen nicht zwangsläufig zum Bruch führen, können die Belastbarkeit der Scheibe jedoch drastisch reduzieren. Die Belastbarkeit der Kante kann allerdings auch erhöht werden, z. B. durch eine entsprechende Kantenbearbeitung (Schleifen oder polieren). Durch die Verwendung von teilvorgespanntem Glas (TVG) oder Einscheibensicherheitsglas (ESG) kann im Gegensatz zum Floatglas auch die Zugfestigkeit der Scheibe erhöht werden.

Bereits bei der Planung sollte berücksichtigt werden, ob Glasscheiben durch Teilbeschattungen starken thermischen Belastungen ausgesetzt werden. Kann dies nicht ausgeschlossen werden, so empfehlen wir den Einsatz von Einscheibensicherheitsglas inkl. Heat-Soak-Test (ESG-H) bei allen Scheiben. Durch den Einsatz von ESG kann thermischen Sprüngen zu einem Großteil vorgebeugt werden. Durch den Heat-Soak-Test werden sogenannte "Spontanbrüche" durch Nickelsulfideinschlüsse weitestgehend ausgeschlossen.

Seit dem 01.01.2018 ist in der Schweiz die SIGAB Richtlinie 002 in Kraft. In ihr wird der Personenschutz bzw. die Absturzsicherheit durch Glas geregelt. Bei vielen Bausituationen (z. B. Glas bis zu einem Meter Bauhöhe oder bei Gläsern, die von beiden Seiten zugänglich sind) ist Sicherheitsglas (dies kann je nach Situation ESG oder VSG sein) vorgeschrieben. Dadurch müssen in vielen Einbausituationen bereits ein bzw. zwei entsprechende Gläser eingesetzt werden. Um die thermische Belastung zusätzlich zu reduzieren, ist dann oftmals lediglich die dritte Scheibe zu wählen.

 

FAZIT: „Thermische Glasbrüche“, „mechanische Glasbrüche“ bzw. die Kombination beider Varianten haben vielfältige Ursachen. Es gibt Stand heute keine Garantie, diese Gefahren komplett auszuschließen. Bei einem Glasbruch in eingebautem Zustand nach der Bauabnahme ist weder der Glaslieferant noch der Fensterbauer verantwortlich. Durch eine gründliche Planung können jedoch die meisten Probleme im Vorfeld erkannt und vermieden werden.

 

 

Ursachen und Beispiele für thermischen Glasbruch

Zeitpunkt Art der Belastung Beispiele
Bei Handling und Transport Direkte Sonneneinstrahlung
  • Nicht ((oder transparent) abgedeckte größere Glaspakete
  • Nicht (oder transparent) abgedeckte dickere Gläser
  • Nicht (oder transparent) abgedeckte Wärmedämm- oder Sonnenschutz Isoliergläser im Stapel
  • Nicht gelöste Transportbänder bei Lagerung
Im eingebauten Zustand Teilbeschattung
Schlagschatten
  • Dachüberstände
  • Fensterlaibung
  • Markisen oder Rollläden
  • Bäume oder Sträucher
  • Gegenstände außen vor dem Fenster
  • Nachbarbebauung
Hitzestau
  • Innenliegender Sonnenschutz mit zu geringem Abstand
  • Schwere Gardinen dicht an der Innenscheibe
  • Sonnenbestrahlte übereinander geschobene Schiebetüren und –fenster
Erhöhte Wärmeabsorption der Sonneneinstrahlung
  • Bemalen oder Bekleben von Scheiben, v. a. bei Verwendung dunkler Farben
  • Raumseitige Teilabdeckung durch innenliegende Jalousie direkt an der Scheibe oder durch Poster
  • Schilder, Plakate, großes Pflanzenblatt direkt auf der Scheibe
  • Dunkle Gegenstände direkt hinter der Scheibe wie Sitzmöbel, Aktentaschen oder Koffer, Klavier, u.v.m.
  • Wärmedämmbeschichtung bei 3-fach Isolierglas auf der mittleren Scheibe ohne besondere Vorkehrungen
  • Nachrüsten von Glas mit Folienprodukten für Sonnenschutz
Einbau im SZR
  • Erhöhte Wärmeabsorption durch Jalousien, dunkle Sprossen oder Elektroantrieb für Beschattungssysteme

Mechanische Ursachen und Beispiele für Glasbruch

Zeitpunkt Art der Last Beispiele
Bei Handling und Transport Mechanische Punktlast
  • Stoß/Schlag auf Kante oder Ecke beim Abstellen auf hartem Untergrund
  • Kantenschlag mit hartem Gegenstand oder Anstoßen
  • Drehen/Kippen der Scheibe über abgestellte Ecke
  • Falsches Handling auf Transportgestellen
  • Steinchen zwischen Glasscheiben
Mechanische Flächenlast
  • Zu große Höhendifferenzen bei Transport von Isolierglas ohne Druckausgleich (im Gebirge)
Beim Einbau Mechanische Punktlast
  • Unterdimensionierte Glasklötze
  • Falsches Handling des Klotzhebers
  • Steinchen oder Metall zwischen Kante und Klotz
  • Zu hoher Anpressdruck der Glasleiste durch Verschraubung oder Vernagelung
  • Hammerschlag auf Glashalteleiste
  • - Sonstige Schlag- oder Stoßeinwirkungen
Mechanische Streckenlast
  • Verbiegen der Scheibe
  • Verwindung des Flügelrahmens
Im eingebauten Zustand Mechanische Flächenlast
  • Zu große Luftdruck-, Temperatur- und Höhendifferenzen zwischen Produktions- und Einbauort
  • Dachschneelawine oder lang anhaltende hohe Schneelast bei Überkopfverglasung
  • Unterdimensionierte Scheibe bei hoher Windlast (Sturmböe)
Mechanische Streckenlast
  • Falsche Dimensionierung von Glas zu Rahmen (Längenänderungen nicht berücksichtigt)
  • Falsche Dimensionierung Glasdicke
  • Verwindende oder klemmende Flügelrahmen
  • Bewegungen im Baukörper, die sich auf die Scheibe übertragen
  • Zu geringer SZR bei innenliegenden Sprossen
  • Sprossenscheiben nicht planparallel, sondern konkav produziert
Mechanische Punktlast
  • Beschuss mit Waffen
  • Geschoss aus Steinschleuder
  • Wurf mit Stein oder sonstigen schweren/harten Gegenständen
  • Hammerschläge
  • Ballwurf
  • Hagelschlag
  • Vogelflug
  • Anprall von Personen
  • Zu harte Distanzpunkte auf Sprossenkreuzen
  • Berührung von Konstruktion oder Gegenständen bei Nutzung (geöffneter Fensterflügel schlägt an)